DIE BIOLOGISCHE UHR

Die ominöse biologische Uhr. - Man hört immer mehr davon, je mehr man auf Ende zwanzig zugeht. Freund*innen heiraten, bauen Häuser - und bekommen Babys. - 'Und wann ist es bei dir so weit?'

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                                                                                                                                                                                      Photo by Djim Loic on Unsplash

...eigentlich überhaupt nicht. Aber diese Antwort ist in den seltensten Fällen akzeptiert. 'Warte ab, du kommst schon noch in das Alter...' - oder die berüchtigte biologische Uhr  wird erwähnt. Die Leute scheinen deine biologische Uhr lauter ticken zu hören, als du selbst. Muss sich ziemlich bedrohlich anhören. 

Leute behandeln dich wie eine unreife Teenagerin, die sicher 'nur eine Phase' hat, wenn du sagst, dass du dir keine Kinder wünscht. Oder fragen schockiert: 'Warum?!' Nicht um deine ehrliche Antwort zu hören, sondern eher, um deine Gründe zu widerlegen und dich zu überzeugen, dass ein Leben mit Baby so viel besser wäre und dich ganz sicher bereichert. 'Aber du hast ja noch ein bisschen Zeit, dir das nochmal zu überlegen.'

Seit ich im Teenageralter war bis zum Anfang meiner Zwanziger habe ich mich nie gefragt, ob ich Kinder möchte, denn es war mir nicht bewusst, dass Kinderkriegen eine Option ist. Es war eher selbstverständlich (Im Gegensatz z. B. zum Heiraten, dessen Sinn ich auch damals schon nicht gesehen habe, aber das ist ein anderes Thema). Ich kann nicht wirklich einen bestimmten Punkt benennen, an dem ich diese Ansicht geändert habe. 
Aber je älter ich wurde, desto mehr habe ich über die Welt und die Gesellschaft nachgedacht, je mehr Erfahrungen ich gemacht habe, desto mehr bin ich mir bewusst geworden, über meine Situation, über die Vergangenheit, Ziele für die Zukunft. Und umso mehr passte die Vorstellung ein Kind großzuziehen nicht in meine Vorstellung vom Leben. Es war kein konkreter Beschluss, oder eine Entscheidung, aber vor allem ein Gefühl. Eine Intuition, ein Bauchgefühl, das passte. Ich denke, dass viele Faktoren mich zu dieser Erkenntnis geführt haben, welche nun schon seit über zehn Jahren anhält: Ich spüre nicht das Bedürfnis, ein Kind zu haben. Und genauso wenig höre ich ein Ticken irgendeiner Uhr.

"Ich spüre nicht das Bedürfnis, ein Kind zu haben. 
Und genauso wenig höre ich ein Ticken irgendeiner Uhr."

Ich habe nicht 'mehr Argumente dagegen'. Aber ich habe auch nicht viele 'Argumente dafür'. 
De facto bin ich ohne Familie aufgewachsen (Wodurch ich nicht traumatisiert bin, im Großen und Ganzen wurde ich so ziemlich selbstständig und habe es noch nie anders vermisst, auch wenn es natürlich ohne familiären Support manchmal schwieriger war, Problemsituationen zu bewältigen). 
Aber aus dem Grund kenne ich viele Gefühle, nach denen viele sich sehnen, wie familiäre Verbundenheit, Nähe und Zusammensein, nicht. Ich habe nicht das Bedürfnis danach, und ich finde nichts falsch daran. Im Gegenteil habe ich viele Beispiele erlebt, welche - leichten bis schwerwiegenden - negativen Konsequenzen dieses 'Familien-Ding' mit sich bringen kann. Tatsächlich bin ich sehr oft froh, selbst solche Probleme nicht zu haben, wenn ich manchen Stress in anderen Familien, (zum Beispiel bei Freund*innen oder dem Partner) mitbekomme. Ich schätze mein selbstbestimmtes Leben und, dass ich niemandem zu etwas verpflichtet bin. 
Zusätzlich kenne ich durch meine Erfahrung auf mich allein gestellt zu sein sehr gut meine Grenzen, und weiß, dass ich nicht die Kapazität hätte, mich um zwei zu kümmern. Aber das ist nicht der Hauptgrund. 
Es ist nicht so, dass verborgene Traumata oder Ängste mich davon abhalten, obwohl mein heimlicher Wunsch doch ein glückliches Familienleben als Mutter wäre. Nein. Der Hauptgrund ist, dass selbst wenn ich die Kraft dafür aufbringen könnte (Was es ja auf jeden Fall sooo wert ist, denn wenn dein Baby dich anlächelt ja schließlich alles vergessen ist - wie es so schön heißt). - ich habe einfach nicht den Wunsch danach. 
Mein Leben erfüllt mich, und ich bin zufrieden, so wie ich bin. - Auch, wenn das offensichtlich nicht das ist, was von Frauen erwartet wird. 

- no interest in reproduction over here.

Der Gedanke an Mutterschaft ist für mich mit Opfer bringen verbunden. Vereinfacht gesagt, opfert man seinen Körper, neun Monate ein Baby in sich tragen, Schmerzen, Übelkeit, Narben usw. Wenn das Baby auf der Welt ist opfert man Schlaf, Zeit für sich selbst, (sexuelle) Zeit mit seinem Partner. Und für die nächsten Jahre opfert man Selbstbestimmung (für mich persönlich eine wesentliche Komponente im Leben), Karrieremöglichkeiten und Entscheidungsfreiheit in einigen essentiellen Bereichen (zum Beispiel, dass man nicht einfach einen unzufriedenstellenden Job kündigen kann, wenn man das Geld für die Familie benötigt). Auch wenn sicher alles möglich wäre, und es kein Alles-oder-Nichts-Prinzip sein muss, ist es doch immer mit viel Anstrengung verbunden. Auf die ich gerne verzichten kann. Danke, aber nein danke. 
Einige stören sich daran sehr gerne, und finden es feige, oder egoistisch. Und vielleicht ist es das auch, aber wen geht es was an, solange niemandem geschadet wird? Wer hat das Recht über diese Entscheidungen zu urteilen? Und ist es nicht genauso egoistisch, Kinder zu bekommen, 'um nicht allein zu sein, wenn man älter ist' (Was eine weitere Killer-Phrase von Leuten, die dich überzeugen wollen darstellt)? Ich habe kein Interesse, ein anderes Leben über mein eigenes zu stellen. Punkt. 

Ich erwähnte bereits, dass ich nicht sehr viele positive Beispiele kenne, die mich dazu bringen zu denken 'Oh wow, ein Kind zu haben muss so toll sein!' So richtig schlechte Beispiele sind zuerst einmal Familien mit klischeehaften, konservativen, frauenfeindlichen, Familienvorstellungen. 
Aber selbst junge Paare, die sich als modern und fortschrittlich verstehen (Gleichberechtigung selbstverständlich mit inbegriffen!) leben ab dem Elternwerden reihenweise die traditionellen Rollen. 
Okay - heutzutage nehmen die Männer die obligatorischen zwei Monate Elternzeit! Und manchmal passen sie sogar auch aufs Kind auf! 
Aber alles in allem ist Care-Arbeit in dieser Gesellschaft Frauenarbeit. Es sind immernoch größtenteils die Männer, die 'das Geld nach Hause bringen', die im Job so unverzichtbar sind, dass sie 'einfach keine Elternzeit nehmen können'. Dass sie 'einfach nicht früher von der Arbeit wegkönnen, um das Kind aus der Kita abzuholen'. Die so hart arbeiten, dass sie nicht noch die Hausarbeit erledigen können. Immerhin 'helfen sie im Haushalt' - als sei es immernoch offensichtlich: Das ist Frauensache.
Wenn die Elternzeit vorbei ist und die Frauen wieder ihrem Beruf nachgehen (Teilzeit natürlich, denn - ihr ahnt es vielleicht schon: der Mann kann in seinem Job einfach keine Teilzeitstelle bekommen!)
Es ist immernoch selbstverständlich, dass die meiste Care-Arbeit von Frauen übernommen wird - und zwar nicht im Verhältnis, zu der Zeit die sie dafür weniger in Ihrem Erwerbsjob arbeitet. 
Es wird in Medien, Gesellschaft und sogar in modernen, feministischen Mami-Blogs promoted: 
'Frauen sind so stark, sie gehen arbeiten, kümmern sich um's Baby UND den Haushalt!' 
Es ist heutzutage zwar immerhin normal, dass Frauen arbeiten gehen und Geld nach Hause bringen, aber es ist stillschweigend vorausgesetzt, dass sie dadurch eine Doppel-(oder Dreifach-)Belastung mit der Familienarbeit erleben - und werden unkritisch als Heldinnen gefeiert, wie sie das alles unter einen Hut bringen. Es ist modern, eine 'working mom' zu sein. Aber was sagt der Begriff denn eigentlich aus? Warum gibt es keinen 'working dad?'
Ist es erstrebenswert als Mutter "Kinder und Beruf vereinbaren zu können" während die wenigsten Väter damit struggeln müssen? In meinen Augen leitet diese Message Frauen in eine falsche Richtung, und das ungleiche Konstrukt kann weiter bestehen bleiben. 

Übertrieben gesagt: Was Frauen als fortschrittlicher Lebensstil verkauft wird, ist eigentlich Verarsche. 
Wie 'Ihr Frauen wolltet gleiche Chancen und das Recht auf Arbeit. Hier habt ihr, und nun seht zu, wie ihr klar kommt. Es ist ja wohl klar, dass Care-Arbeit euer Job ist, erwartet nicht, dass ihr Unterstützung bekommt.'
Natürlich ist das übertrieben ausgedrückt. Aber die wesentliche Message ist nicht so weit hergeholt. 
Weil Stillen etwas ist, was nur Mütter können, wird alles andere was Mütter typischerweise tun, auch als solches gesehen. Und hab bloß keine eigenen Bedürfnisse als Mutter. Nur eine Mutter kann ein Baby ins Bett bringen, trösten, versorgen wenn es krank ist. Und ein Vater kann sowieso niemals so eine emotionale Bindung zu einem Kind aufbauen. 
So präsent wie diese Annahmen immernoch sind, so schwierig ist es, diese zu verlassen. Du wirst schnell dazu gebracht, dich schlecht zu fühlen, wenn du davon abweichst. Zumindest wird ziemlich oft provokant nachgefragt oder kommentiert und man bekommt das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen. 
Zum Beispiel wenn man den Partner allein mit dem Baby lässt, weil man eine Nacht unterwegs ist, oder schnell wieder in einen Vollzeitjob einsteigen möchte. (Natürlich ist aber niemand ein schlechter Vater, der es andersherum macht).

Diese Message wird, wenn auch subtil, verbreitet durch Medien, Gesellschaft, und wie ich bereits erwähnte, sogar durch zahlreiche moderne Mama-Blogs von eigentlich selbstbewussten Business-Instagram-Mums. Ja, Mums!
Trotz patriacharlicher Strukturen sind auch Frauen dafür verantwortlich, diese Ansichten zu verbreiten.
Indem zum Beispiel das Verhalten von Männern, die sich nicht in der Familienarbeit einbringen mit 'Tja, so sind Männer nunmal' entschuldigt, und hingenommen wird. 
Oder Müttern, die ihre persönliche Freiheit genießen (unterschwellig) Schuldgefühle eingeredet werden. Ich erwarte von Frauen, die Unternehmen führen, und sich selbst als fortschrittlich und feministisch bezeichnen, zumindest die Fähigkeit Rollenbilder zu hinterfragen und deren Problematik zu erkennen, anstatt sie unreflektiert zu verbreiten, 

Ich denke, die Gesellschaft ist noch sehr weit entfernt von Gleichberechtigung und fairer Aufgabenteilung wenn es um Elternschaft geht - und das ist für mich ein absolut großes Kontra, Kinder zu haben. Auch wenn ich weiß, dass es auch einige Paare gibt, die emanzipierte und moderne Eltern sind (und diese feiere ich mehr als Helden, als 'working moms', die alle Belastungen hinnehmen anstatt Veränderungen anzustoßen) - die Mehrheit scheint eher rückschrittlich, auch wenn es subtiler ist, als in den 50ern. 

Meine Vorstellungen vom Leben und die Vorstellungen von Mutterschaft in dieser Gesellschaft passen für mich einfach nicht zusammen. Es wäre möglich, aber es wäre immer verbunden mit Kämpfen, Diskussionen, dummen Kommentaren und Fragen, und sich rechtfertigen zu müssen.

Noch mehr, als dafür, keine Kinder haben zu wollen. 






















 

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